Darmgesundheit Teil 2 - Gutes Bauchgefühl - Eine Holzfigur sitzt entspannt am Rand einer Klippe und blickt aufs offene Meer hinaus - © shutterstock

Darmgesundheit Teil 2 - Gutes Bauchgefühl

Nicole Loidl

Nicole Loidl ist Sportwissenschafterin mit Spezialisierung in klinischer Psycho-Neuro-Immunologie (kPNI). In ihrer Gesundheitspraxis beschäftigt sie sich u.a. mit Darmgesundheit und Stress, sowie den daraus resultierenden Erkrankungen. In ihrer Freizeit trifft man sie mit ihrer Familie draußen in der Natur, im Wald und in den Bergen. Ihren Ausgleich findet sie beim Berg- und Skitourengehen, Cross-Fit oder beim Kochen und Backen.

Wer schon einmal verliebt war, kennt bestimmt die berühmten „Schmetterlinge im Bauch“. Und manchmal verlässt man sich einfach auf sein „Bauchgefühl“. Andere Situationen hingegen schlagen uns sprichwörtlich „auf den Magen“. Diese Redewendungen kommen definitiv nicht von irgendwo. Zahlreiche Studien zeigen auf, wie intensiv Darm und Gehirn miteinander kommunizieren.

Die Geheimnisse der Darm-Hirn-Achse

Von Geburt an sind Darm und Hirn ziemlich beste Freunde. Der eine kann nicht ohne den anderen. Aber warum gerade die beiden? Beim Embryo werden während der Schwangerschaft die Nervenzellen im Gehirn und die Nervenzellen im Darm aus ein und demselben Gewebe entwickelt. Darm- und Kopfhirn sind also ganz ähnlich aufgebaut. Örtlich getrennt bleiben die beiden „Zwillinge“ ein Leben lang über den Vagus-Nerv miteinander in Verbindung.
Das Gehirn braucht nämlich ständig Informationen darüber, wie es im Körper so zugeht. Und da bietet sich der Darm als größtes sensorisches Organ perfekt dafür an. Er besitzt mehr als 100 Million Nervenzellen (mehr als unser Rückenmark!), verteilt auf einer riesigen Fläche und sitzt im Körper quasi mitten im Getümmel. Als Außendienstmitarbeiter schickt er wichtige Informationen an die Kommandozentrale Gehirn. Gelangen z.B. Giftstoffe in unseren Körper, so muss der Vagus-Nerv sofort die Information ans Hirn liefern und dort einen Brechreiz auslösen. Oder er berichtet von Krankheitserregern, die das Gefühl „Unwohlsein“ auslösen.
Schließlich kommunizieren Darm und Hirn noch über etliche Botenstoffe (z.B. Dopamin, Serotonin) miteinander. Mit ihrer Hilfe tauschen die beiden Organe Informationen aus. 10% der Informationen fließen dabei vom Kopfhirn in den Darm, die restlichen 90% liefert der Darm ans Gehirn.

Zusammenhang Darm und Psyche

Der Darm kann uns also mittels Botenstoffen einen Emotionscocktail mixen. Ändert man im Darm von Mäusen die fein abgestimmte Bakterienzusammensetzung, so ändert sich deren Verhalten. Durch eine Stuhlübertragung ist dann sogar eine „Persönlichkeitsveränderung“ möglich. Aus ängstlichen Mäusen werden richtige Draufgänger.
Da Mäuse ein sehr ähnliches Darmmikrobiom wie Menschen besitzen, gibt es bereits etliche solcher Versuche. Daher geht man davon aus, dass die Psyche und Emotionen in viel intensiverem Ausmaß von der Darmflora beeinflusst werden als bisher angenommen.
Es besteht eine Wechselwirkung zwischen Psyche und Darm, die in beide Richtungen verläuft:

  • Psychische Belastung → Darmproblem: Dieser Zusammenhang ist unter dem Begriff „Psychosomatik“ schon länger bekannt.
  • Darmprobleme → psychische Probleme: Haben Menschen allerdings jahrelang ohne ersichtlichen Grund mit psychischen Problemen zu kämpfen, könnte die Ursache auch „somatopsychisch“ sein. Angst, Stress und innere Unruhe können also durch den Darm verursacht und gefördert werden.

Wie wirkt Stress auf unseren Darm?

Stress ist eine natürliche Reaktion des Körpers, um physische und psychische Herausforderungen zu meistern. Es gibt eine Vielzahl von Stressoren für den Körper: z.B. ständige Konflikte im Job, unglückliche Beziehungen, ständiger Zeitdruck, eine ausgiebige Feier oder akute und chronische Infektionen. In einer Stress-Situation verstärken sich einige Reaktionen im Körper, andere werden heruntergefahren. Zum Beispiel:

  • die Herzfrequenz steigt an
  • der Blutdrucksteig steigt an
  • die Atmung beschleunigt sich
  • die Muskeln spannen sich an
  • die Verdauung wird heruntergefahren

Diese Reaktionen sind heute noch gleich wie in der Steinzeit, als die Ur-Menschen vor einem Mammut standen und der Körper mit Flucht oder Angriff reagieren musste. (Ein Gang aufs Klo wäre in so einer Situation äußert unpraktisch.) In einer „fight-or-flight“-Situation sollte einfach keine wertvolle Energie für den Darm verschwendet werden. Die Energie muss zur Muskulatur, um für eine schnelle Reaktion gewappnet zu sein. Während die Steinzeit-Menschen die Stress-Hormone über körperliche Aktivität abbauten, sitzen wir heute in einer stressigen Situation am Bürotisch. Heute sind es keine Mammuts mehr, die Stress verursachen. Die Abläufe im Körper sind aber die gleichen.

In unserem Darm bewirkt Stress Folgendes:

  • der Speisebrei wird zu schnell abtransportiert
  • die Nährstoffaufnahme wird gedrosselt
  • die Ausschüttung wichtiger Hormone wird heruntergefahren
  • die Darmmuskulatur arbeitet fehlerhaft
  • die nützlichen Darmbakterien (Laktobazillen, Bifidobakterien) verschwinden
  • die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut wird erhöht

Kann Stress zu Darmerkrankungen führen?

Diese Frage muss eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden. Bei Stress verändert der Darm seinen Verdauungsprozess. Er nimmt beispielsweise energiereiche Substanzen wie Zucker vermehrt auf, um sie dem Körper zur Verfügung zu stellen. Damit diese in größerer Menge in den Blutkreislauf gelangen können, muss ein eigenes Protein (SGTL-1) gebildet werden.

Dieses Protein führt dazu, dass die „tight junctions“ (Eiweißverbindungen, die Zellen in der Darmwand verbinden) durchlässiger werden.
Nun gelangen neben Zuckermolekülen auch schädliche Bakterien und Krankheitserreger in den Körper.
Diese können zu Darmerkrankungen und etlichen Folgeerscheinungen führen.

Beispiel: Stress und Reizdarm

In einer akuten Stress-Situation werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Sie fördern eine Entzündung, um eventuelle Krankheitserreger zu eliminieren. Das verzögert ausgeschüttete Cortisol soll diese Entzündung wieder stoppen.

Stehen wir unter Dauerstress kann der Körper nicht mehr genug Cortisol produzieren und Entzündungen können nicht mehr eingedämmt werden. Viele Menschen reagieren mit einem Reizdarm.

Anregungen zur Inneren Balance

Da wir nicht alle als Yogis und Mediationsprofis geboren werden, empfehlen sich drei ganz einfache Aufgaben:

  • 5-Minuten-Meditationen: Setze dich an einen ruhigen Ort und achte 5 Minuten lang nur auf deine Atmung und die Geräusche in deiner Umgebung. Wirkt auch zwischendurch!
  • Beschäftige dich mit den Fragen: Was sind meine Ziele (meine Berufung)? (oder einfacher: Was sind nicht meine Ziele?) Was macht mich glücklich? Was tue ich, um glücklich zu sein?
  • Notiere 3 Dinge, die du in deinem Leben noch gerne machen möchtest

In Stress-Situationen profitiert man außerdem von artgerechter Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Sport und ausreichend Schlaf (siehe Darmserie Teil 1). Ist man allerdings mit seinem Job oder einer Beziehung unglücklich, wird vermutlich auch die gesündeste Ernährung nicht gesund machen.

Gesundheit ist einfach ganzheitlich zu sehen, ungelöste Probleme sollten erkannt und aufgelöst werden. Frei nach Voltaire: „Da es förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen glücklich zu sein“.

Inspiration