Darmgesundheit TEIL 3 – Milch unter der Lupe - Eine Holzfigur mit zwei Stückchen Apfel und einem Stück Käse vor einem weißem Hintergrund. 

Darmgesundheit TEIL 3 – Milch unter der Lupe

Nicole Loidl

Nicole Loidl ist Sportwissenschafterin mit Spezialisierung in klinischer Psycho-Neuro-Immunologie (kPNI). In ihrer Gesundheitspraxis beschäftigt sie sich u.a. mit Darmgesundheit und Stress, sowie den daraus resultierenden Erkrankungen. In ihrer Freizeit trifft man sie mit ihrer Familie draußen in der Natur, im Wald und in den Bergen. Ihren Ausgleich findet sie beim Berg- und Skitourengehen, Cross-Fit oder beim Kochen und Backen.

Kaum ein Lebensmittel wird in den letzten Jahren so kontrovers diskutiert wie die Kuhmilch. Ist sie nun gesund oder ungesund? Müssen wir tatsächlich Milch trinken, um Osteoporose zu vermeiden oder erhöht der Milchkonsum doch das Krebsrisiko?

Milch von Anfang an, aber…

Milch ist die erste Nahrung, die wir Menschen - und auch alle anderen Säugetiere - zu uns nehmen. Das macht auch Sinn, denn Muttermilch enthält alle wichtigen Nährstoffe, die ein kleiner Säugling braucht:

  • Fette
    Ein Baby braucht Fette zur Entwicklung des Gehirns und als Baustein für Zellmembranen.
  • Eiweiß
    Muttermilch enthält zwei Arten von Eiweiß: Kasein und Laktalbumin. Beide Eiweißarten sind auch in Kuhmilch enthalten, allerdings in einem anderen Verhältnis. So ist das Verhältnis von Laktalbumin zu Kasein in der Muttermilch 60 zu 40 Prozent. Das Verhältnis in der Kuhmilch beträgt 20 zu 80 Prozent. Daher kann Muttermilch schneller und leichter verdaut werden als Kuhmilch.
  • Kohlenhydrate
    Das Hauptkohlenhydrat in der Muttermilch ist Laktose. Dieser Zweifachzucker ist wichtig für den Säugling, da er ein saures Milieu im Darm schafft und das Wachstum von guten Milchsäurebakterien unterstützt. Damit die Laktose aufgespalten werden kann besitzen alle Babys ein Enzym namens Laktase.
  • Molkeproteine
    Laktalbumin, Lactoferrin und sekretorisches Immunglobulin A (sIGA) schützen vor Viren und Bakterien und sind wichtig für das Immunsystem.
  • Kasein
    Kasein in der Muttermilch gehört dem Beta-Typ an, während Kasein in der Kuhmilch hauptsächlich dem Alpha-Typ angehört. Der Alpha-Typ verringert z.B. die Eisenaufnahme im Körper.
  • Vitamine

…Milch für Erwachsene?

Für Babys ist Milch also ein wahrer Wundertrank, aber für Erwachsene?

Im Prinzip ist Milch ein Turbo-Wachstumsgetränk. Das ist an sich nichts Böses, denn wenn wir als Baby rasant wachsen ist Muttermilch die ideale Nahrung. Ungewöhnlich ist aber, dass wir Menschen dieses Kleinkind-Wachstumsgetränk auch als Erwachsene zu uns nehmen. Und noch kurioser: wir schütten uns keine Muttermilch in die Gläser, sondern trinken die Milch einer anderen Spezies.

Zum Vergleich: Ein menschliches Baby braucht ca. 180 Tage, um sein Körpergewicht zu verdoppeln, ein Kalb hingegen nur 40 Tage.

Wenn wir also als Erwachsener Kuhmilch trinken, nehmen wir ein Ultra-Wachstumsgetränk zu uns in einer Lebensphase, in der wir eigentlich nicht mehr wachsen. Ein zu viel an Wachstumsfaktoren kann sich im erwachsenen Körper sehr ungünstig auswirken. Der Wachstumsfaktor IGF programmiert in allen Zellen Zellteilung und hemmt den natürlichen Zelltod (Apoptose). Dies treibt die Alterungsprozesse im Körper voran und kann laut etlichen Studien Krebs fördernd wirken.

Was sagt der Darm zur Milch?

Als Babys können wir Milch deshalb verdauen, weil in unserem Dünndarm ein Gen aktiv ist, das zur Bildung des Enzyms „Laktase“ führt. Laktase zerlegt den Milchzucker Laktose in seine Einzelbestandteile, die dann vom Darm aufgenommen werden können.

Bei den meisten Menschen wird das Laktase-Enzym nach den ersten Lebensjahren stillgelegt. Man könnte sagen, eine „Laktose-Intoleranz“ ist von Natur aus vorgesehen.

Wie das Weizeneiweiß Gluten, gilt das Milcheiweiß Kasein als ein „Troublemaker“ im Darm. Kasein kann bei einigen Menschen die Darmschleimhaut angreifen und eine Entzündung hervorrufen.

Ist der Darm also von Vorherherein schon unglücklich (durch Medikamente, Stress, mangelhafte Ernährung), so ist zusätzlicher Konsum von Kuhmilch sicher nicht förderlich.

Und das gesunde Kalzium?

Spätestens seit der Volksschule wissen wir, dass Milch viel Kalzium enthält. Und das Kalzium gut für unsere Knochen ist. Kuhmilch enthält mit 120 mg / 100 ml tatsächlich viel Kalzium. Etliche Mediziner und Wissenschaftler sind sich mittlerweile aber einig, dass man nicht unbedingt Milch trinken muss, um sein Skelett aufrecht zu halten. Viel wichtiger sind jene Faktoren, die die Kalziumaufnahme im Körper fördern. Dies ist zum Beispiel ein ausreichend hoher Vitamin D-Spiegel (mind. 50-70 ng/ml). Neben Vitamin D braucht der Körper auch Vitamin K, damit Kalzium in die Knochen aufgenommen werden kann. Genau dieses Vitamin K sollte von unseren Darmbakterien produziert werden, also: zur Kalziumaufnahme brauchen wir ein gesundes Darm-Mikrobiom!

Für ein robustes Knochengerüst brauchen wir auch keine Unmengen an Kalzium. Ein artgerechter Lebensstil (siehe Darm-Serie Teil 1) ist definitiv wichtiger.

Viele Studien liefern bereits auch Hinweise, dass erhöhter Milchkonsum tendenziell sogar eher zu Osteoporose („Knochenschwund“) führt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dies mit Galaktose, einem Bestandteil des Milchzuckers Laktose, zusammenhängt. Galaktose scheint wie eine Art biochemischer Sekundenkleber zu funktionieren. Indem das Gewebe zusammengekleistert wird, wird es steifer und steifer – und altert. Außerdem fördert Galaktose Entzündungsreaktionen und oxidativen Stress.

Der Punkt ist also: es gibt gesündere Kalziumquellen als Kuhmilch.

Grünkohl liefert uns mit 196 mg / 100 g reichlich mehr Kalzium als Kuhmilch. Ebenso wie Spinat (121 mg / 100 ml), Fenchel (109 mg / 100 ml) und Brokkoli (108 mg / 100 g).

Fazit

Global betrachtet, sind Menschen in jenen Ländern, die wenig Milch konsumieren, nicht weniger gesund wie wir. Studien gibt es Tausende, sowohl von Milchbefürwortern als auch von Milchgegner. Da der Mensch so komplex ist, ist es auch schwierig, Krankheiten auf einen Parameter zurückzuführen. Gesundheit hängt eben von so vielen Faktoren ab. Da auch jeder Mensch sehr unterschiedlich ist und unterschiedlich auf Nahrung reagiert, würde ich Jedem empfehlen, es selbst auszuprobieren.

Vor allem bei Magen-Darm-Beschwerden kann es helfen, mal ganz auf Kuhmilch zu verzichten. Als Alternative bieten sich pflanzliche Milchsorten, wie Hafer-, Reis- oder Kokosmilch an.

Zum Abschluss der Darm-Serie möchte ich nochmal die Bedeutung dieses Organs hervorheben:

  • Im Darm sitzen 80 % unserer Immunzellen
  • Die Darmbakterien helfen uns bei der Verdauung und produzieren wichtige Vitamine (z.B. Vitamin K und B-Vitamine)
  • Der Darm besitzt mehr als 100 Millionen Nervenzellen, das ist nach dem Gehirn die zweitgrößte Ansammlung an Nervenzellen im Körper
  • Der Darm hat große Einfluss auf Psyche, Emotionen und Wohlbefinden
  • Bei etlichen Symptomen und Krankheitsbildern liegt die Ursache im Darm – es lohnt sich genauer hinzusehen

Deshalb ist es wichtig, auf die Signale des Körpers zu achten, denn wie schon Paracelsus meinte: „Die wichtigsten Dinge des Lebens spielen sich zwischen Anfang und Ende des Verdauungskanals ab.“

Inspiration